Dr. Otto Wutzel über Stephan Seidler

zur Ausstellung 2003

Stephan Seidler begann seine berufliche Laufbahn 1912 bis 1914 als Volksschullehrer in den Mühlviertler Gemeinden Hollaberg und St. Stephan am Wimberg. Das Mühlviertel war später mit Linz und der Donau seine bevorzugte Malerlandschaft. Die weitere Lebensbahn bestimmte nach der Heimkehr aus dem Ersten Weltkrieg seine Kunstbegeisterung – Sammler, Kunsthändler und Maler mit Kurzstudium an der Münchener Akademie und einem intensiven Selbststudium, als er aus wirtschaftlichen Gründen die kunstakademische Ausbildung aufgeben musste. Seine kaufmännische Begabung setzte er nach einem bescheidenen Anfang in der Firma Herlango bis zur Gründung der Radio- und Elektrogroßhandlung „Seidler & Co“ für die eigene künstlerische Laufbahn, die sein Lebnenstraum war, voll und ganz ein.

Sein Leitspruch lautete: „Der Mensch muss immer wieder zu seiner Natur zurück. Sie treibt und hindert ihn, wenn er gegen sie strebt. Sie schafft Freiheit, die Ruhe und Kraft im Erlebnis, sie befreit die Kräfte, die schaffend an dem Werk tätig sind, damit sich dieses vom Notwendigen unterscheidet durch das Außergewöhnliche.“

In der Linzer Kulturgeschichte hat sich Stephan Seidler mit der im Jahre 1919 gegründeten Kunsthandlung „Dürerhaus“, Landstraße 9, einem Barockhaus am Taubenmarkt, verewigt. Die Wahl von Albrecht Dürer als Namenspatron bezeugt seine romantische Lebenseinstellung. In den bitteren Nachkriegs-20er Jahren mit rasanter Geldentwertung wurde er gezwungen, diese Galerie in eine „Frühstücksstube“ umzufunktionieren und 1927 schließlich an die Firma Herlango zu vermieten. In diesem persönlichen Unglücksjahr hat er auch München ohne Hoffnung auf Wiederkehr verlassen müssen.

Als Galerist befasste sich Stephan Seidler mit Antiquitäten und lokaler Gegenwartskunst. Für Antiquitäten hatte er eine solide Sachkenntnis. Bei der „Neukunst“ bevorzugte er mit sicherem Kunstverständnis die neuen Kunstströmungen. So war zum Beispiel Klemens Brosch einer seiner Schützlinge. Zu seinen Freunden zählten auch die Künstler der May-Schule. Die Tradition als Galerist setzt sein Sohn Wilhelm in seiner Galerie in der Klosterstraße fort. Ihm ist auch die gewissenhafte Betreuung des künstlerischen Nachlasses seines Vaters zu danken.

Die Richtung des eigenen künstlerischen Schaffens von Stephan Seidler lässt sich am besten mit einer Sentenz des Altmeisters der deutschen Romantik Caspar David Friedrich umschreiben: „Der Maler soll nicht bloß malen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht.“

Stephan Seidlers Ölbilder, vielfach Großformate, leuchten in kräftiger Farbigkeit. Grüntöne, Blautöne, Brauntöne, Gelbtöne, die den Betrachter zwingen, sich immer wieder in diese Bildwelt einzuschauen.

Seine Bleistiftzeichnungen sind Beispiele eines hohen technischen Könnens von kräftiger Konturierung bei Architekturmotiven bis zur hauchzarten Strichführung bei Landschaften.

Stephan Seidler schuf ein umfangreiches Gesamtwerk: Natur- und Stadtlandschaften, italienische Motive – Ergebnisse von glücklichen Italienreisen – kubisch aufgebaut, Porträts, figurale Kompositionen, von denen seine Bauernkriegsbilder besondere Beachtung finden.

Dr. Otto Wutzel über Stephan Seidler
(zur Ausstellung 2003)