Hegenbarth Josef (1884 – 1962)

„Im Zirkus“

Tuschfeder auf Papier
rechts unten signiert

Josef Hegenbarth (* 15. Juni 1884 in Böhmisch Kamnitz, Österreich-Ungarn; † 27. Juli 1962 in Dresden) war ein deutscher Grafiker, Zeichner, Maler und Illustrator.

Schon als Junge hatte Josef Hegenbarth seinen 16 Jahre älteren Vetter Emanuel Hegenbarth häufig an der Staffelei beobachtet und war von ihm stark beeindruckt. Als dieser 1903 einen Ruf an die Königliche Akademie der bildenden Künste nach Dresden (Klasse Tiermalerei) erhielt, folgte ihm Josef Hegenbarth 1905. Er ließ sich in Dresden nieder, arbeitete im Selbststudium und legte Emanuel in regelmäßigen Abständen seine Arbeiten zur Beurteilung und Korrektur vor.  Zum Wintersemester 1908/09 trat Josef Hegenbarth in die Königliche Kunstakademie ein und begann im Zeichensaal bei Richard Müller. Bald übersprang er jedoch die Zeichenklasse und setzte seine Studien im Malsaal in der Oberklasse von Carl Bantzer fort, mit dem es zu heftigen Auseinandersetzungen kam. Zum Wintersemester 1909/10 wechselte er für ein Semester in die Oberklasse von Oskar Zwintscher. Ab dem Wintersemester 1912/13 wurde er Meisterschüler von Gotthardt Kuehl, als dessen Schüler er sich ausdrücklich bezeichnete.

1917 wurde Josef Hegenbarth als zum Militärdienst untauglich eingestuft. Da sich die Verhältnisse im Kriegsjahr 1917 auch in Dresden verschlechterten zog er bis 1919 nach Prag und ging in die Grafikklasse von August Brömse an der Prager Kunstakademie und blieb der Stadt, die ihn sehr beeindruckte, zeitlebens verbunden.

1919 gründeten Brömses Schüler die Künstlergruppe „Die Pilger“, die mit vier Graphik-Mappen hervortrat, an denen sich Josef Hegenbarth beteiligt hatte, und die bis 1923 bestand. Nach Brömses Tod ging aus der Künstlergruppe „Die Pilger“ 1928 die Prager Secession hervor, deren Mitglied Josef Hegenbarth von Anfang bis zu deren Ende 1937 war.

Hegenbarth kehrte 1919 nach Dresden zurück. 1936 heiratete er Johanna Aster (1897–1988). Die Ehe blieb kinderlos. Schon seit einigen Jahren verbrachte das Ehepaar Hegenbarth in der Sommerzeit jeweils mehrere Wochen im väterlichen Haus in Böhmisch Kamnitz, in dem ihm eine kleine Wohnung zur Verfügung stand. Nach den alliierten Bombardierungen Dresdens im Februar 1945 holte Hegenbarth als Vorsichtsmaßnahme seinen gesamten beweglichen Besitz sowie sein Lebenswerk aus Dresden nach Böhmisch Kamnitz, um ein Jahr später alles zu verlieren.

Wie alle anderen Deutschen wurden die Hegenbarths 1945 aus der Tschechoslowakei ausgewiesen und konnten nach Deutschland zurückkehren.

Erst 1957 wurde Josef Hegenbarth ein Teil der in der ČSSR verbliebenen Werke ihm von der dortigen Regierung rückübereignet, vor allem die Gemälde. Einige Zeichnungen sind bis heute verschollen.

Seit den 1920er Jahren fanden sich Zeichnungen und Radierungen Hegenbarths in verschiedenen Zeitschriften, Journalen und Kalendern, regelmäßig in der illustrierten Wochenschrift Jugend (1924–1936), im Simplicissimus (1925–1944), vereinzelt in Velhagen und Klasings Monatsheften (1924/1925), in Scherl’s Magazin (1930), in Die Dame (1937 und 1942) und in der anfangs sich am Bauhaus orientierenden Zeitschrift die neue linie (1940–1943). Hegenbarth schickte immer einige Zeichnungen zur Auswahl ein, die jeweilige Redaktion wählte ein Bild aus und schrieb einen passenden Text dazu.

Ab 1924/1925 fand Hegenbarth neue Inhalte für seine Kunst in der Darstellung des Menschen und der ihn umgebenden Realität. Er hielt das wahrgenommene Geschehen fest, seine Bilder haben die Titel:  Auf der Straße, Spaziergänger, Spielende Kinder, In der Straßenbahn, Gartencafé, Kaffeehaus, Kabarett, Im Zoo. Immer häufiger ging er in die Tanzschule der Mary Wigman und in den Zirkus. Dort entstanden Blätter wie Manege, Aus der Revue, Tänzerin, Wanderzirkus, Artisten, Hohe Schule. Ab Mitte der 1930er Jahre wurden Tierdarstellungen zum favorisierten Thema.

Um seine Kunst bekannt zu machen, beschickte er zahlreiche Ausstellungen in Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei. Er zeigte sich seit 1914 als Mitglied oder Gast teilweise oder mit Unterbrechungen auf den Ausstellungen der Münchner Secession (1914–1958), der Dresdner Künstlervereinigung (1914–1939), deren Vorstand er angehörte, der Wiener Secession (1914–1937), des Deutschen Künstlerbundes (1914–1936 und erneut 1952–1964), der Berliner Secession (1916–1932), der Preußischen Akademie der Künste (1924–1939), der Prager Secession (1929–1936), auf den Dresdner Deutschen Kunstausstellungen seit 1946, der Großen Kunstausstellung München seit 1950, des Verbandes Bildender Künstler Deutschlands seit 1951 und der Deutschen Akademie der Künste seit 1955. Insgesamt beteiligte er sich an mehr als 400 Ausstellungen.

Bis 1945 stand die Pinselzeichnung im Vordergrund der illustrativen Arbeiten Josef Hegenbarths. Mit schwarzer Tinte erzielte er in differenzierten Abstufungen zwischen Schwarz- und Grautönen farbige, malerische Wirkungen. Mitte der 1940er Jahre begann er kleinformatige, zarte Federzeichnungen in dünnem Strich und leichter Lineatur zu bevorzugen, die im Gegensatz zu späteren Illustrationen nur „schwebend“ im Text erscheinen.

Nach seiner Rückkehr nach Dresden im Oktober 1945 erhielt Josef Hegenbarth 1946 eine Anstellung an der Hochschule für Werkkunst unter dem Rektorat von Will Grohmann sowie im April 1947 eine Professur für Malerei an der Hochschule für Bildende Künste, die er bis 1949 wahrnahm. In der Nachkriegszeit beteiligte er sich an wichtigen Kunstausstellungen, die der deutschen Gegenwartskunst gewidmet waren: Dresden 1946 „Allgemeine Deutsche Kunstausstellung“, Augsburg 1947 „Künstler der Ostzone“, Baden-Baden 1947 „Deutsche Kunst der Gegenwart“, Köln 1949 „Deutsche Malerei und Plastik der Gegenwart“ und im selben Jahr in den weiteren Städten München „Kunstschaffen in Deutschland“, London „Modern German Prints and Drawings“ und Zürich „Kunst in Deutschland 1930–1949“.

In Halle (Saale) richtete der Museumsleiter und Kunsthistoriker Gerhard Händler 1948 Josef Hegenbarth eine große Werkschau ein, bevor er selbst 1949 nach Duisburg ging und als Direktor das Lehmbruck-Museum übernahm.

Von 1946 bis 1950 arbeitete Hegenbarth regelmäßig für den Berliner Ulenspiegel und wenige Male für den Münchner Simpel. Die unmittelbare Nachkriegszeit erlebte er als einen befreienden Aufbruch. Er wurde in Zeitschriften und Beiträgen von Kunsthistorikern anerkannt, viele Galerien und Kunstvereine zeigten seine Werke, Verlage und Verleger in Ost- und Westdeutschland erteilten ihm Illustrationsaufträge. 1949 erschien im Dresdener Wolfgang Jess Verlag mit „Bücherwahn“ das erste Buch, zu dessen Illustrierung sich Hegenbarth der Tuschzeichnung bediente. In der großen Anzahl der entstandenen freien Blätter und Illustrationen wird seine ungebrochene und erneuerte Schaffenskraft deutlich, und er war der einzige deutsche Künstler, der in dieser Zeit gleichermaßen in der DDR und Bundesrepublik präsent war. Dies wird auch in den Ehrungen deutlich, die er in dieser Zeit erhielt, wie den Nationalpreis der DDR 2. Klasse 1954. Im Jahr darauf wurde er korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie der Künste, 1956 Außerordentliches Mitglied der Berliner Akademie der Künste und 1960 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Im Herbst 1961 machte sich eine schwere Erkrankung bemerkbar, die seine Arbeitsintensität beeinträchtigte. Er starb unerwartet am 27. Juli 1962 im Alter von 78 Jahren.

Sein Wohnhaus, für das seine Witwe das Dresdener Kupferstichkabinett als Erben bestimmte, ist heute ein wissenschaftliches Archiv, monografisches Museum sowie Ausstellungs- und Veranstaltungsort. Der Name Josef-Hegenbarth-Archiv geht auf Johanna Hegenbarth zurück, die unmittelbar nach dem Tod ihres Mannes mit der Aufarbeitung seines umfangreichen Werkes begann.