2002 Werner Augustiner – Ölbilder, Aquarelle, Zeichnungen

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Dezember 2002

Dr. Berthold Ecker zur Ausstellung:

Werner Augustiner  Von der Kunst die Kunst zu erleben

Über das Werk von Werner Augustiner wurde bisher in Anbetracht seiner Bedeutung kaum etwas publiziert, und dieses Wenige erschöpft sich meist in emotional gefärbten Erinnerungen an die Person des Künstlers. Für diejenigen, die den Künstler als Person im alltäglichen Umgang erlebt haben, schwingen bei der Rezeption seiner Arbeit Töne mit, die in ihrer ursprünglichen Komposition nicht notwendigerweise enthalten sein müssen. Alle bisher zur Arbeit Werner Augustiners angestellten Überlegungen konzentrieren sich auf die bemerkenswerte  Figur ihres Schöpfers. Kaum einer der bisher über ihn erschienen Texte verzichtet darauf, neben der Genialität auf bildnerischem wie literarischem Gebiet auch die körperliche Behinderung und die dadurch mitbestimmte spezielle Lebensführung als Movens seiner Kunst zu erwähnen. Diese Haltung eines „trotzdem“ und „gerade deshalb“ verweist allerdings eher in den Bereich der Amateurpsychologie, und hat mit zunehmender zeitlicher Distanz immer mehr den Charakter irreführender Legendenbildung. Vorsicht erscheint also geboten und deshalb werden hier nun einige Eckdaten und grundsätzliche Überlegungen zu seinem Werk folgen.
Augustiners Jugend fällt in die Zeit des Ständestaates und des Nationalsozialismus. Seine künstlerische Prägung erhält er durch Rudolf Szyszkowitz an der Grazer Kunstgewerbeschule und durch Rudolf Sterrer an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Der Erstgenannte gilt als Hauptkünstler der katholischen Erneuerungsbewegung „Bund Neuland“, Letzterer als deren inoffizieller Mentor und Sterrer ist gleichzeitig ein wichtiger Vermittler spätromantischer Bildwelten an die jungen „Neulandkünstler“ und zwar in der Art eines Hans Thoma. Diese Orientierung kommt Werner Augustiner mit seiner tief religiösen Veranlagung entgegen und äußert sich zunächst in symbolträchtigen, wuchtigen Holzschnitten, die in formaler Hinsicht den Künstlern der „Brücke“ nahe stehen.
„Neulandkünstler“:  das sind im engeren Kreis die Maler Rudolf Szyszkowitz, Leopold Birstinger, Albin Stranig, Paul Hofmann, Max Weiler und Karl Weiser sowie der Bildhauer Alexander Silveri, die in den 30er und 40er Jahren eine recht lose Gruppierung bildeten, in deren weiterem Umfeld auch Margret Bilger, Walter Ritter, Werner Berg, Alfred Stifter, Hans Fronius und Erich Wulz  zu finden sind. Augustiner ist unter diesen Künstlern wahrscheinlich der jüngste derer, die sich in dem Versuch vereinten, im Sinne dieser katholischen Bewegung auch eine Erneuerung des religiösen Bildes zu bewirken. Ein betont einfaches und naturbezogenes Leben in der Gemeinschaft mit einem ausgeprägten Hang zur romantischen Naturphilosophie und der religiösen Philosophie eines Sören Kierkegaard bestimmte den Lebenswandel dieser Neuländer. Erneuerung beinhaltet in diesem Sinn auch eine Abkehr von der vertrauten und als überkommen empfundenen christlichen Ikonographie und eine Hinwendung zu einfachen formalen Beziehungsgefügen, die sich bedingt von Archetypen ableiteten und damit für jedermann verständlich sein sollten. Aus diesem Geist nährt sich also das Frühwerk Augustiners.
Graphik wie auch Gemälde sind zunächst von expressiven Tendenzen bestimmt, wobei die Holzschnitte dem deutschen Expressionismus nahe stehen, während das gedämpfte Kolorit und die starke Pastosität der Malereien eher auf die österreichische Spielform des Expressionismus in der Art des Herbert Boeckl verweisen.
In den 50er Jahren kommt es dann zum entscheidenden Paradigmenwechsel seiner Kunst. Im Gefolge einiger Reisen in den Süden gewinnt die Palette an mediterraner Leuchtkraft und der schwere Farbauftrag verschwindet zu Gunsten eines tänzelnden, auch an die Fauves erinnernden Duktus´. Augustiners Bildsprache gewinnt an Leichtigkeit und es gelingt ihm, den neu erarbeiteten Stil auch in österreichischen Landschaften authentisch umzusetzen. Die starke Orientierung an der expressiven französischen Malerei macht ihn zu einem Hauptvertreter dieses Einflussstranges auf die österreichische Kunst.
Mediterrane Stadtansichten ebenso wie die humorvoll aufgeladenen, manchmal auch erotischen Szenerien in den Gassen von Paris werden nicht nur in ihrer oft schlichten dinglichen Eigenart erfasst, sondern es gelingt Augustiner mit seiner künstlerischen Umsetzung ebenso glaubhafte wie eindringliche Zeugnisse persönlichen Erlebens zu schaffen.
Diese seine unverkennbare Bildsprache, wird er sich von nun an bis zu seinem Lebensende bewahren. Nicht zuletzt dank seiner hohen technischen Fertigkeit, die er auch in genialischen Skizzen und Aktstudien unter Beweis stellte, erweist er sich als ein Meister, der starke Farbakkorde und klare Formen mit feiner Leichtigkeit zu formulieren  wusste.
Aus historischer Sicht kann Werner Augustiner als klassisches Bindeglied über den Bruch hinweg gesehen werden, den der zweite Weltkrieg verursacht hatte. Es ist dies eine Scheidelinie, die sich weniger in künstlerischer oder entwicklungsgeschichtlicher Weise aufdrängt, als sie vielmehr zum willkommenen Konstrukt der Geschichtsschreibung wurde. Wie wir gerade am Beispiel Augustiners sehen, haben Entwicklungslinien nicht selten die Tendenz zu einem letztlich kontinuierlichen, nachhaltigen Verlauf, auch wenn sich dies zunächst in oberflächlicher Sichtung anders darstellt. Tatsächlich zeigt die neuere Kunstgeschichtsschreibung, dass 1945 nicht wie noch in den 70er Jahren angenommen, zu  einer Zäsur führte, sondern viel eher einen Ausgangspunkt bildete, den Beginn eines Weges, der allmählich zur Internationalisierung der österreichischen Kunst führte.
Ungeachtet der Lehrmeinung, die lange Zeit dahin ging, dass die wichtigen Ismen im Zusammenhang mit der Moderne klar umrissene zeitliche Felder definiert hätten, stellt sich die Frage, was wohl ein expressives Bild aus dem Jahr 1950 oder gar noch später denn sei, wo doch die Hauptwerke des Expressionismus in den 10er und frühen 20er Jahren entstanden, während dessen ungeachtet Augustiner in einer Streitschrift gegen Otto Mauer meint, dass der Expressionismus bereits in seinen Anfangsstadien von einem eingebildeten Experten namens Adolf Hitler also in den 30er Jahren zerstört wurde. Sofort schwebt der Vorwurf des Anachronismus und der fehlenden Relevanz im Raum.
Doch erhebt sich, etwa am Beispiel der aktuellen Diskussion über den Realismus angesichts der Ausstellung „Lieber Maler male mir“ in der Wiener Kunsthalle sogleich die Frage, was denn der „neue Realismus“ der 20er Jahre denn damals noch verloren gehabt hätte, oder gar die nun zu Ehren gekommenen Realismen der 90er Jahre, wo doch die Sache mit dem Realismus bereits im 19. Jahrhundert abgehandelt worden sei. Und was gar sollte man dann mit all den zahlreichen Ausformungen anfangen, die zwischen den genannten „markanten“ Zeitabschnitten liegen? Die zeitliche Festlegung des Begriffes und seiner Relevanz ist hier wohl nur mit Hilfe gewalttätiger Geschichtsschreibung möglich, und was im Zusammenhang mit naturnaher Realistik gesagt wurde, hat seine Berechtigung ebenso in Hinblick auf alle übrigen Möglichkeiten künstlerischer Artikulation. Gerade in Zeiten eines völlig wertfreien Stilpluralismus ist es zu recht verpönt, ein Kunstwerk wegen seiner stilistischen Orientierung in seiner Wertigkeit in Frage zu stellen. Der Vorwurf des Anachronismus erweist sich auf diese Weise als purer Geschmacksdespotismus, der nicht unbekämpft bleiben darf.
Andererseits bleibt festzustellen: Anything goes, Beliebigkeit herrscht allerorten. Was relevant ist bestimmt die starke Persönlichkeit, der starke und hoffentlich redegewandte Produzent und ein Markt, der die Dinge auf komplexe und überindividuelle Weise zu steuern versteht.
Die theoretische Unterfütterung des Werkes ist heute für viele Künstler eine Selbstverständlichkeit, sei es durch eigenes oder fremdes Zutun. Augustiner war auch ein Mann des Wortes, des geschriebenen wie des gesprochenen. Er war zwar der Ansicht, dass man  „mit dem reinen Intellekt keinen Zugang zur Kunst finden könne“ und an stelle des rationalen Verstehens die „Kunst des Erlebens von Kunst“ erlernen sollte, also einen gesamtheitlichen Erfassensprozess an die Stelle der logischen Analyse setzen sollte, doch verwendete er das sprachliche Talent für seinen entschlossenen Kampf gegen die – wie er es nannte – Kunstdiktatur, welche mit ihrem abstrakten Kitsch alles überschwemme und die figurative Kunst in die Unbedeutendheit dränge. Damit sind wir mitten in der oft radikal geführten Auseinandersetzung der 50er und 60er Jahre, in der sich das Kriterium für gute Kunst oft nur auf das Faktum der Gegenständlichkeit, oder eben Nicht-Gegenständlichkeit reduzierte. Auf welcher Seite Augustiner stand ist klar, und er war auf seine weise ein Protagonist der Figuration in der Steiermark und in späterer Zeit auch in Oberösterreich, wo etwa Herbert Dimmel – unterschiedlich zwar im Stil – eine ähnliche Position bezogen hatte.
Das außerordentlich umfangreiche Werk von Werner Augustiner wird zwar von Nachlassverwaltern und Sammlern vorbildlich betreut, doch wünschen wir uns nach wie vor seiner kunsthistorischen Aufarbeitung, welche die Bedeutung Augustiners über das regionale Kunstgeschehen hinaus erweisen könnte.